Vorwort...
Wenn Gestaltung aus einem kontinuierlichen experimentellen Prozess heraus entsteht, dann waren Voraussetzungen vonnöten. Diese Voraussetzungen setzen sich zusammen aus geschichtlichem Wissen und daraus folgenden empirischen Vorgehensweisen, aus der Erkenntnis von Gewohnheiten, aber auch aus Visionen, aus »provoziertem Zufall« und aus »geistiger Freiheit«. Notwendig scheinen zudem äußerste Konzentrationsfähigkeit, Disziplin und Durchhaltevermögen aber auch Rücksichtnahme, Respekt und Analyse bezüglich Stofflichkeiten und Werkzeugen zu sein. Forciert wird das Ganze durch den bewussten Einsatz von Suggestionsfaktoren, welche die psychischen und biologischen Korrelationen der Gestalterpersönlichkeit vorübergehend verändern. Wenn dann noch Entwicklungszeiten während des Schaffensprozess zugelassen werden und Denkrichtungen aufgrund ungewollter Veränderungen in der Empfindung umgeworfen werden, so ist die Plattform für künstlerische Ansätze geschaffen. Ergebnisse könnten unter Umständen exhibiert werden.
Spielt jedoch der Transport einer Botschaft eine Rolle, so verläuft der Prozess unter Einfluss dieser Intention ab. Hier wäre die Einbeziehung sozialer– und kultureller Verantwortung in den Schaffensprozess von Bedeutung, um nicht nur der Gesellschaft etwas Spezifisches mitzuteilen, sondern Interpretationsspielräume – zu geben – zu entfachen und/oder zum Denken anzuregen.
Für eine »überlastete«, wirtschaftlich orientierte Gesellschaft mit abbröckelndem Verständnis für Kunst, Abstraktion, Ästhetik, Philosophie, Qualität etc. – zurückzuführen in erster Linie auf curriculare Strukturen – wäre eine entsprechende Botschaft geradezu notwendig.
Martin Kofler visualisierte bereits in der Vergangenheit sowohl Empfindungen als auch Botschaften und legte mit Vorstufenobjekten bereits Richtungen vor, die Zukunftspotential zeigen. Eine sichtbare Richtung hat sich zur Zeit bei ihm herauskristallisiert und stabilisiert. Ergebnisse dieser noch nicht abgeschlossenen Schaffensphase hat Martin Kofler umgesetzt und der Entstehungsprozess könnte mit oben beschriebener These begründet werden, die Qualität zeigt sich entsprechend. Möge Herrn Kofler nichts von seinem derzeitigen Weg abhalten.
Prof. Hans Richard Heitmann
Martin Kofler – neue Arbeiten....
Martin Koflers Bilder wirken aus der Distanz betrachtet wie Alltagsszenen, Momentaufnahmen, Sekunden des Zeitgeschehens, teils in leuchtende, oft aber auch in erdige, düstere Töne getaucht.
Mittelgroße und großformatige Arbeiten, die bei langsamer Annäherung an Transparenz und sowohl inhaltlicher als auch technischer Vielschichtigkeit gewinnen und schnell erahnen lassen, dass mehr in ihnen liegt als Bild und Oberfläche.
Szenarien, die Geheimnisse ahnen lassen, mehr und mehr Fragen stellen, je näher man ihnen kommt. Mehrdimensionale Oberflächen, teils offen liegend, teils verschüttet, begraben und hervorgekratzt.
Schichten, Texturen, Brüche, Worte – teils lesbar, oft lediglich zu erahnen, öffnen die Sinne jenseits des Visuellen…
Eine auf Entfernung realistisch wirkende Autobahnszene (Neue Götter, 2010), an der Oberfläche inhaltlich trivial, wenngleich schon visuell vereinnahmend, gewinnt an Aussage und an Frage… Wie ein Hologramm – erst jetzt bei näherer Auseinandersetzung erkennbar – prangt uns „Gott“ entgegen, spiegelbildlich, in den Farben des allwissenden www.Google-Gottes.
Aussagen und Fragen, teils mit enormer Brisanz, wie „Projekt Genesis“, ein im Jahr 2009 entstandenes Werk, das formal den Skandal des Jahres 2010 vorauszusagen scheint und darüber hinaus noch sehr viel mehrdimensionalere Fragen zu Moral, Wertesystem und menschlicher Natur stellt, stehen im Kontrast zu melancholisch schönen Reisen in kindliche Erinnerungen (Aussichten, 2009), die ohne im Plakativen zu verweilen beim Betrachter lang verschüttete Erinnerungen und Emotionen wecken.
Kein Bild ohne Frage, keine Arbeit ohne Geheimnis – Arbeiten, bei deren Betrachtung die Hoffnung keimt, den Gang der Welt ein wenig besser zu verstehen (Maschine Zeit, 2008), ein Wechselbad aus Traum, Hoffnung und düsterer Ernüchterung, ohne die Hintertür zu einer realistisch besseren Welt zuzuschlagen.
Vermeintlich provokante Themen entpuppen sich bei genauerer Betrachtung als zutiefst menschliche Szenen (Absolution, 2010) – den Betrachter mit mehr Fragen als Antworten zurücklassend kontrastieren sie mit Platten, die vordergründig hübsch und dekorativ ein schweres Erbe tragen (Himmler – Vorstufe 21, 2009) – nicht Kunst als Amüsement, weder Dekoration noch Farbenspiel.
Bilder, die aufrütteln, Emotionen wecken und bewegen.
Gut und unschuldig und rein (Frauen von heute, 2009) gegen die Macht der Dunkelheit (Austauschbar, 2009), dort weit weg und auch daheim (Moderne Fluchten, 2009) ein Kampf der Welten - tagtäglich... innen, wie außen – doch wer Martin Koflers Werke nicht als Einzelarbeiten versteht sondern als Gesamtheit sieht, der spürt die positive Kraft und die Nachricht – oder ist es eine Frage ?
Stephan Boos, Fotokünstler